Antworten des Familienministeriums NRW auf unsere Fragen zur aktuellen Afghanistan-Situation
(E-Mail-Antwort MKFFI, Referat 513, vom 26.10.2021)
Wo und wie sind die Menschen, die in den letzten Wochen aus Afghanistan in NRW angekommen sind, untergebracht? Müssen alle Angekommenen in Landeserstaufnahmen, insbesondere auch diejenigen, die bereits Deutsch können?
Es ist zwischen der Unterbringung während der Evakuierungsmaßnahmen des Bundes aus Afghanistan in der zweiten Augusthälfte und den hiervon losgelösten Einreisen zu unterscheiden.
Personen, die im Rahmen der Evakuierungsmaßnahmen eingereist sind und nach Nordrhein-Westfalen verbracht wurden, wurden zunächst in fünf Zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes untergebracht. Zur Unterstützung der Evakuierungsoperation hatte Nordrhein-Westfalen dem Bund eine Verfügbarkeit von insgesamt 1.300 Plätzen gemeldet, von denen ca. 1.000 durch den Bund beansprucht wurden. Die Unterbringung in den Landeseinrichtungen erfolgte nur vorübergehend, bis der Bund sukzessive geprüft hat, ob die Personen eine Aufnahmezusage nach § 22 Satz 2 AufenthG erhalten und ob sie in NRW verbleiben oder (etwa aufgrund erst später bekannt gewordener familiärer Bindungen) in andere Bundesländer verteilt werden. Inhaberinnen und Inhaber einer Aufnahmezusage nach § 22 Satz 2 AufenthG wurden inzwischen nordrhein-westfälischen Kommunen zugewiesen. Personen, die keine Aufnahmezusage nach § 22 Satz 2 AufenthG erhalten haben, dürfen auch weiterhin in den Landeseinrichtungen verbleiben.
Auch vor den Evakuierungsmaßnahmen sind bereits afghanische Ortskräfte, denen das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat eine Aufnahmezusage nach § 22 Satz 2 AufenthG erteilt hatte, nach Deutschland eingereist. Im Mai 2021 hatte die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Truppenabzugs der Bundeswehr aus Afghanistan entschieden, das sog. Ortskräfteverfahren zu beschleunigen (z.B. durch Vereinfachung der Visa-Antragstellung). Diese Personen organisierten ihre Einreise nach Erhalt des Visums selbst und wurden nach Ankunft in Nordrhein-Westfalen direkt kommunal zugewiesen.
Werden die Angekommenen den Kommunen zugewiesen, oder dürfen sie ihren Wohnort selbst wählen?
Personen, die eine Aufnahmezusage nach § 22 Satz 2 AufenthG erhalten haben, werden auf Grundlage des Grundlage der §§ 11 ff. des Teilhabe- und Integrationsgesetzes (TIntG) weitgehend bedarfsorientiert kommunal zugewiesen. Berücksichtigt werden bei den Zuweisungsentscheidungen insbesondere verwandtschaftliche Beziehungen und Wohnortwünsche, Integrations-, Betreuungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten vor Ort, aber auch die Aufnahmesituation der jeweiligen Gemeinde und eine möglichst gleichmäßige Verteilung im Land. Die Zuweisungen werden in enger Kommunikation und Kooperation zwischen dem hierfür zuständigen Kompetenzzentrum für Integration der Bezirksregierung Arnsberg (Kfi) und den aufnehmenden Kommunen durchgeführt.
Wie läuft das weitere (Asyl-)Verfahren für diese Menschen ab? Gibt es unterschiedliche Verfahren für die einzelnen Gruppen? (z.B. Ortskräfte der Bundeswehr, Ortskräfte ziviler Organisationen, Menschenrechtsaktivistinnen, Frauenrechtsaktivistinnen ...)
Inhaber und Inhaberinnen einer Aufnahmezusage nach § 22 Satz 2 AufenthG erhalten von den zuständigen Ausländerbehörden nach Vorsprache eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis, losgelöst davon, ob es sich um Ortskräfte oder andere besonders gefährdete Personen handelt. Personen, die im Rahmen der Evakuierungsmaßnahmen nach Deutschland ausgeflogen wurden, haben grundsätzlich ein Ausnahmevisum nach § 14 Abs. 2 AufenthG erhalten, das 90 Tage gültig ist. Nach Ablauf der Gültigkeit des Visums halten sich die Personen unerlaubt in Deutschland auf, sofern sie keinen Asylantrag gestellt haben und auch die Voraussetzungen für die Erteilung eines asylverfahrensunabhängigen Aufenthaltstitels nicht vorliegen.
Nach welchen Regeln werden die Angekommenen finanziell unterstützt, welche Unterschiede gibt es dabei zwischen den oben genannten Gruppen?
Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 Satz 2 AufenthG haben einen Anspruch auf Sozialleistungen nach SGB II. Personen, die im Rahmen der Evakuierungsmaßnahmen und ein Ausnahmevisum erhalten haben, unterliegen während der Gültigkeitsdauer des Visums ebenfalls dem SGB II/XII. Sollten die Personen einen Asylantrag stellen, erfolgt die Leistungsgewährung fortan nach dem AsylbLG.
Was bedeutet die Situation in Afghanistan für die Menschen, die bereits vor den aktuellen Ereignissen in NRW / Düsseldorf waren, insbesondere hinsichtlich laufender Asylverfahren oder hinsichtlich der Chancen für Asylfolgeanträge?
Diese Frage ist zuständigkeitshalber an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu richten.
Wie geht NRW damit um, dass viele Angekommene schon unsere Sprache beherrschen und damit sehr viel schneller als andere Geflohene in Ausbildung oder Berufstätigkeit vermittelt werden könn(t)en?
Für afghanische Staatsangehörige gelten ebenso wie für alle anderen ausländischen Staatsangehörigen die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes. Afghanische Ortskräfte und ihre Familien erhalten schnellen und unbürokratischen Zugang zu den Regelangeboten der Jobcenter und des BAMF sowie bedarfsgerecht zu allen Maßnahmen der beruflichen und gesellschaftlichen Integration.
Haben sich die Bedingungen/Möglichkeiten für einen Familiennachzug durch die neue Situation verändert? Ist das Land NRW bereit, neben Ehegattinnen auch Eltern, Geschwister aus dem gleichen Haushalt usw. über den Familiennachzug aufzunehmen? Wie soll der Familiennachzug für ohne oder nur mit Teilen der eigenen Familie hier angekommene Ortskräfte und andere Personen von der Liste des Auswärtigen Amtes gewährleistet werden? Welche Unterstützung leistet das Land NRW dabei?
Der Begriff der Kernfamilie ist im Rahmen der Anwendung von § 22 Satz 2 AufenthG im Einklang mit den Regelungen zum Familiennachzug im Aufenthaltsrecht definiert. Ausnahmen werden in Einzelfällen bundesseitig gesondert geprüft. Losgelöst von den derzeitigen Aufnahmeverfahren ist es hier lebenden Afghaninnen und Afghanen auch weiterhin möglich, einen Familiennachzug im Visumverfahren über die Anrainerstaaten entsprechend bundesgesetzlicher Regelungen des Aufenthaltsgesetzes einzuleiten.
In Afghanistan verbliebene deutsche Staatsangehörige
(Hinweis des Auswärtigen Amtes)
Deutsche Staatsangehörige, die sich nach Ende der militärischen Evakuierung weiterhin in Afghanistan aufhalten und bereits unter ELEFAND registriert waren, werden dringend gebeten, sich unter afg.diplo.de zu registrieren. Auf diesem Wege erfolgt die grundsätzliche Kommunikation des Krisenreaktionszentrums des Auswärtigen Amts mit deutschen Staatsangehörigen in Afghanistan. Deutsche Staatsangehörige, die auf dem Landweg Nachbarstaaten erreichen, können dort nach Ankunft von unseren Botschaften konsularische Unterstützung erhalten. Die individuelle Risikoabwägung, sich über den Landweg zur Grenze zu begeben, muss dabei in Abhängigkeit von den persönlichen Umständen der Betroffenen selbst vorgenommen werden. Konsularische Unterstützung bei Reisebewegungen innerhalb Afghanistans kann nicht gewährleistet werden.
Wenn sich dem Auswärtigen Amt Möglichkeiten eröffnen, organisierte Ausreiseangebote anzubieten, werden wir die deutschen Staatsangehörigen dazu aktiv kontaktieren. Ferner können deutsche Staatsangehörige die Notfallhotline des Auswärtigen Amts anrufen (030-18 17 1000) oder das Auswärtige Amt anschreiben (040-krise19@diplo.de) – in jedem Fall sollte aber die Registrierung auf dem Portal afg.diplo.de erfolgen.